Am 12. Januar 2016 strahlte die ARD in der Sendung „Report Mainz“ einen neuen Bericht zur Praxis von Ferkeltötungen in Massentierhaltungsanlagen aus, auf den wir an dieser Stelle verweisen (der Beitrag kann mit Klick auf den unten stehenden Link abgerufen werden):
„Ferkel werden an den Beinen gepackt und auf den Boden geschlagen. Tote Tiere liegen in Eimern und auf Gängen. Diese Bilder und die Recherchen von REPORT MAINZ lösten 2014 eine breite Debatte über den Tierschutz in Zuchtanlangen aus. Zahlreiche Bundesländer verabschiedeten spezielle Erlasse, stellten die Tierschutzvorgaben zur Nottötung von Saugferkeln klar. Der Bundeslandwirtschaftsminister machte das Töten von Ferkeln zum Topthema im Tierschutzbericht. Doch hat die Debatte tatsächlich etwas für die Tiere verbessert? Durch aktuelle Recherchen und bisher unveröffentlichte Aufnahmen zeigt Report Mainz wie heute mit den Tieren umgegangen wird…“
Ferkel werden weiterhin qualvoll getötet (Manuskript SWR)
Bei diesem Thema können Sie übrigens sehen, wie wir bei REPORT MAINZ arbeiten. Wir versuchen einen Missstand aufzudecken und konfrontieren die Verantwortlichen mit unseren Recherchen – so war es beispielsweise hier, als wir gezeigt haben, wie es in deutschen Schweinezuchtanlagen zugeht.
Damals haben wir genau zugehört, was jetzt alles besser werden soll. Thema erledigt? Nein – die Kollegen sind drangeblieben. Sie wollen wissen, ob jetzt wirklich alles besser geworden ist.
Uns wäre es übrigens am liebsten, wir könnten heute sagen: Ja, es gibt keinen Grund mehr über die Zustände in deutschen Schweinezuchtanlagen zu berichten. Leider können wir das nicht sagen. Monika Anthes und Edgar Verheyen mit den Einzelheiten.
Bericht
Tote Ferkel. Erschlagen in Schweinezuchtanlagen. Solche Bilder und die Recherchen von REPORT MAINZ lösen 2014 eine breite Debatte aus. Nicht nur in den Medien wird diskutiert, ob wir Verbraucher diesen Umgang mit Tieren hinnehmen wollen. Die Politik reagiert, stellt klar welche Regeln bei der Nottötung von Ferkeln gelten.
Die Hauptpunkte: Nur totkranke oder missgebildete Tiere dürfen getötet werden. Sie müssen zuerst betäubt werden. Nur im Einzelfall geht das durch einen Schlag auf den Kopf. Erst dann erfolgt die Tötung durch schnelles Entbluten.
Doch haben diese Vorgaben etwas bewirkt? Wie geht es Deutschlands Ferkeln heute?
Wildbad Kreuth. Am Rande der CSU Klausur vor wenigen Tagen. Hier sprechen wir mit Bundeslandswirtschaftsminister Christian Schmidt über diese Fragen:
O-Ton, Christian Schmidt, CSU, Bundeslandwirtschaftsminister: „Wir haben Fortschritte gemacht in diesem Bereich. Ich denke, das geht in die richtige Richtung, die Länder müssen aber nach wie vor überwachen und darauf achten, dass kein Tier, das lebensfähig ist ohne – wie es heißt – vernünftigen Grund getötet wird.“
Alles, also auf dem richtigen Weg? Tatsächlich? Wir recherchieren weiter, bekommen neues, exklusives Bildmaterial zugespielt. Wieder haben Tierschützer heimlich in Ferkelzuchtbetrieben gefilmt.
Erstes Beispiel: Gut Thiemendorf in Thüringen. Bisher unveröffentlichte Aufnahmen, die schockieren. Mehrfach schleudert eine Mitarbeiterin Tiere auf den Boden, schlitzt Ihnen dann den Hals auf. Ein klarer Verstoß gegen Tierschutzgesetze. Die Bilder stammen von der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch. Diese Gruppe hatte bereits 2014 in Ferkelzuchtbetrieben gefilmt.
O-Ton, Erasmus Müller, Animal Rights Watch: „Ich finde das schockierend. Jetzt werden die Ferkel auch noch an der Kehle aufgeschlitzt, bevor sie dann einfach in die Eimer geworfen werden. Die zappeln noch genauso, es sind noch genauso viele Ferkel, es ist jetzt nur noch blutiger, wenn man sich das anschaut.“
Und was sagt der Betreiber der Anlage dazu? Wir schicken ihm Ausschnitte aus dem Material. Die Reaktion – überraschend. Das Unternehmen erklärt: Es sei „nicht zulässig“ oder „geduldet“, Tiere durch einen „Schlag auf den Boden“ zu betäuben. Man habe sich beim zuständigen „Veterinäramt selbst angezeigt“ und arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen. In Folge der Selbstanzeige ermittelt jetzt das Landeskriminalamt wegen des Verdachts auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz.
Zweites Beispiel: Van Asten Tierzucht in Nord-Thüringen. Auch aus dieser Anlage bekommen wir heimlich gedrehte Aufnahmen. Hier: Schlag auf den Kopf und anschließender Halsschnitt. Man sieht Ferkel in Eimern, die sich danach noch bewegen.
Ist dieses Vorgehen tierschutzkonform? Wir zeigen die Aufnahmen der Veterinärexpertin Dr. Cornelie Jäger. Ihre Einschätzung:
O-Ton, Dr. Cornelie Jäger, Tierschutzbeauftragte Baden-Württemberg: „So, wie die Methode jetzt durchgeführt wird, ist es tierquälerisch und eben keine schonende Methode. Hier sieht man ganz stark auch noch, wie lange sie sich bewegen, und das sind ja auch richtige Abwehrbewegungen. Und ich habe die große Befürchtung, dass diese Tiere zum einen bei Bewusstsein sind, und zum anderen eher ersticken als entblutet werden.“
Was sagen die Schweinezüchter dazu? In Nordhausen empfängt uns die Geschäftsführerin Monique van Asten. Sie will gemeinsam mit dem Bauernverbandsvertreter Lars Fliege zu den Aufnahmen Stellung nehmen.
Frage: Halten Sie diese Methode für tierschutzgerecht?
O-Ton, Monique van Asten, Geschäftsführerin van Asten Tierzucht: „Laut Gesetz ist es tierschutzgerecht. Wir machen es jetzt gesetzeskonform und so können wir dann eigentlich nicht in die Kritik kommen. Aber lieber sehen wir das auch anders. Keiner macht gerne einen Kehlschnitt.“
O-Ton, Lars Fliege, Vizepräsident Bauernverband Thüringen: „Wir arbeiten intensiv an der Weiterentwicklung von den Verfahren, um erst mal das Leiden der Tiere noch weiter zu senken und zweitens die emotionale Belastung für unsere Mitarbeiter, niemand tötet gerne ein Tier und macht dann auch noch diesen Kehlschnitt.“
Später erklärt van Asten, man hätte die Bilder Fachleuten gezeigt, die sähen keine Rechtsverstöße. Jetzt müssen die Behörden entscheiden, auch diese Aufnahmen liegen dem Landeskriminalamt vor.
Drittes Beispiel: Die Schweinezucht Kleindemsin in Sachsen-Anhalt. Durch eine offene Tür gelangen die Tierschützer in den Kadaverraum. Auch hier hängen sie Kameras auf. Die Szenen, die darauf zu sehen sind, sind extrem verstörend. Sensible Menschen sollten wegschauen.
Ist dieses Vorgehen im Sinne des Tierschutzes? Auch in diesem Fall konfrontieren wir die Geschäftsführung mit den Aufnahmen. Schriftlich erklärt Sie dazu: Die strikte Einhaltung der Tierschutzauflagen sei eine Grundvoraussetzung. Außerdem gebe es Schulungen auf der Basis gesetzlicher Vorgaben zur Durchführung der Betäubung und Tötung.
Einhaltung von Tierschutzauflagen? Wie sieht das Hermann Aeikens, Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt. Er hat die Oberaufsicht über diesen Betrieb.
O-Ton, Hermann Aeikens, CDU, Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalt: „Ja, das sieht nicht tierschutzkonform aus. Es ist wirklich, wie die da im Akkord abgemurkst werden – ja, aber das stumpft auch ab.“
Frage: Ist das der Umgang, wie Sie sich ihn mit diesen Tieren wünschen?
O-Ton, Hermann Aeikens, CDU, Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalt: „Absolut nicht, dass ist nicht was ich mir wünsche in unseren Ställen und deshalb sind wir energisch dabei, dafür Sorge zu tragen, dass so etwas nicht in unseren Ställen Platz greift.“
Drei Beispiele, wie Ferkelzüchter heute gut eineinhalb Jahre nach dem Skandal mit den Tieren umgehen. Sind das die Fortschritte, von denen Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt gesprochen hat?
Frage: Sie sind Deutschlands oberster Tierschützer, wie bewerten Sie jetzt, was wir als Befund dort haben?
O-Ton, Christian Schmidt, CSU, Bundeslandwirtschaftsminister: „Wir müssen auf allen Ebenen dafür Sorge tragen, dass das Tierschutzgesetz auch wirklich angewandt und beachtet wird. Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sind nicht akzeptabel.“
Abmoderation Fritz Frey
Wir bleiben weiter dran!
Stand: 14.1.2016, 16.04 Uhr
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