Unter den Bedingungen der industriellen Tierhaltung leiden nicht nur die Tiere. Durch den Bau und die Konzentration immer neuer Anlagen vor allem im Ländlichen Raum, wie bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, leiden auch Anwohner, Umwelt, Infrastruktur, andere Wirtschaftszweige sowie das Image ganzer Regionen.
Der naturnahe Tourismus ist eines der großen Entwicklungspotenziale ländlicher Räume. Hier entstehen sichere, standortgebundene Arbeitsplätze. Dazu müssen aber die Naturräume ihre touristische Attraktivität bewahren.
In Mecklenburg-Vorpommern haben viele engagierte Bürgerinnen und Bürger in den letzten 25 Jahren in ihre Immobilien investiert und sich mit kreativen Ideen und Projekten selbständig gemacht oder engagieren sich ehrenamtlich. Sie tragen so zu attraktiven Dörfern und einem lebenswerten ländlichen Raum bei. Dieses Engagement in den Bereichen Tourismus, Kultur, Denkmalschutz, Bildung und bäuerlicher Landwirtschaft ist durch den Bau neuer industrieller Tierhaltungsanlagen gefährdet. Sie tragen nämlich nicht zu einem Mehrwert im volkswirtschaftlichen Sinne bei, sondern zerstören oft sogar Ansätze regionaler Wertschöpfung. Immobilien- und Grundstückspreise sinken, Anwohner leiden unter Gestank, Straßen gehen kaputt, das Image von Dorfidylle, Natur und Erholung leidet. Der landesweite Claim eines „Gesundheitslandes MV“ wirkt da nur noch zynisch.
Industrielle Tierhaltungsanlagen verschandeln die Schönheit des Landschaftsbildes und verpesten die frische Luft ländlicher Regionen. Noch immer gibt es beim Neubau von Großställen keine Pflicht, Abluftfilter einzubauen. Der Gestank belästigt die Anwohner und die Abluft enthält zudem oft Keime. Der Schwerlastverkehr – Futter-, Schlachttier- und Gülletransporte – stört Ruhe und Idylle und macht die Straßen der Gemeinden und Kreise kaputt. Weil wir uns für die natur- und kulturtouristische Erschließung der ländlichen Regionen einsetzen, lehnen wir Großanlagen zur Schweinehaltung und Geflügelmast ab. Sie zerstören die gewachsene und vielfältige Wirtschaftsstruktur in den betroffenen Regionen. Stattdessen will die grüne Bundestags- und Landtagsfraktion die Synergieeffekte zwischen naturnahem Tourismus und regionaler Lebensmittelerzeugung stärken. Dazu wollen wir regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen gezielt fördern und eine verlässliche Regionalkennzeichnung einführen.
Die Befürworterinnen und Befürworter von industriellen Tierhaltungsanlagen argumentieren mit neuen Arbeitsplätzen für die Region. Die Wahrheit ist jedoch eine andere: Den wenigen neuen Arbeitsplätzen steht der Verlust vieler Arbeitsplätze im bäuerlichen Mittelstand gegenüber. In einem Betrieb mit 10.000 Tierplätzen arbeiten oft nur zwei Angestellte.
Da eine Arbeitskraft aber nicht Tausende Tiere im Blick haben kann, ist praktisch keine Individuelle Überwachung des Tierwohls mehr möglich. Das einzelne Tier geht in der Masse unter. Zeitdruck und Automatisierung kommen hinzu, so dass es immer wieder zu Antibiotika-Missbrauch und Missachtung des Tierwohls wie zum Beispiel dem brutalen Erschlagen „nicht lebensfähiger Ferkel“ kommt. Arbeitskräfte in der Fleischindustrie sind zudem meist unterdurchschnittlich bezahlt und nur geringfügig gewerkschaftlich organisiert.
Infolge des Imageverlustes einer Region mit intensiver Massentierhaltung werden bisherige und zukünftige Investitionen in eine nachhaltige Regionalentwicklung gefährdet. Tatsächlich entstehen durch artgerechte Tierhaltung in bäuerlichen und mittelständischen Betrieben bedeutend mehr und attraktivere Arbeitsplätze. Es gilt also umzusteuern, von einer Politik industrieller Tierproduktion hin zu einer zukunftsfähigen, ökologischen und artgerechten Tierhaltung.